Die Ruinen von Sember

aus: Magische Geschichte - Magier. Ereignisse. Epochen (Ausgabe 3/79)

Sember ist heute vor allem unter Bergsteigern und Schneesportlern bekannt und der damit verbundene Tourismus bildet den Kern des bescheidenen Wohlstands dieser kleinen Nation im Herzen Noronteias. Das flache Kernland, die Hochebene Sem, die immerhin den Ursprung des Landesnamens bildet, ist rückständig und kaum bekannt. Doch nicht nur den Anhängern Nekides‘ sondern auch ernsthaften Archäologen ist Sember nicht nur aufgrund der touristischen Hotspots bekannt, sondern vor allem für die erstaunlichen Ruinen einer uralten Zivilisation, die sich einst über die Hochebene erstreckte.

 

Warum stellt die sembische Zivilisation die Wissenschaft seit ihrer Wiederentdeckung in den 1950ern vor ein Rätsel? Die Hochebene Sem liegt umschlossen von hohen Bergen im Herzen des Kontinentes Noronteia, das Klima ist kalt und trocken und das Land wird nicht nur von keinen größeren Flüssen durchzogen, sondern profitiert auch von keinem nennenswerten Niederschlag. Grundwasser tritt nur an wenigen Stellen hervor und speist kleine Bäche, ausreichend für die kleine, halbnomadische Bevölkerung, die erst in diesem Jahrhundert zu einer mehr sesshaften Nation heranwachsen konnte; aber die größeren Städte des Tieflandes und ihre Wasserversorgung wurden erst durch moderne Technik möglich. Dennoch haben Archäologen die Ruinen einer gewaltigen Stadt gefunden, die vor 4000 Jahren entstand, sich über mehr als 1000 Jahre beständig vergrößerte und erst weitere 1000 Jahre später, möglicherweise im Zusammenhang mit der großen Katastrophe des Jahres 0 unterging.

Doch als wäre das nicht schon rätselhaft genug: Die Wasserversorgung dieser uralten Metropole scheint jüngsten archäologischen Untersuchungen nach auf einem ausgeklügelten System aus Zisternen bestanden zu haben, die durch intensive Regenfälle gespeist worden sein müssten. Die archäogeologischen Untersuchungen zeigten dann auch Spuren einstmals üppiger Niederschläge – doch keine Anzeichen für eine klimatische Situation aus der diese mögliche gewesen sein könnten.

Die Beherrschung des Wetters muss durch Magie erfolgt sein, doch eine derart zuverlässige magische Manipulation ist, soweit wir wissen, erst seit der Großen Einheitlichen Verzerrungstheorie  derart zuverlässig möglich. Waren die alten Sember, die außer einigen bislang unentschlüsselten Petroglyphen keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterließen zu einer derart machtvollen magischen Wetterbeherrschung fähig oder liegt Nekides mit seiner Vermutung einer „Entwicklungshilfe“ durch Reisende von den Sternen doch richtig?

 

Eine neue Studie des Archäomagischen Instituts der Universität Mir deutet an, dass die notwendige Magie möglich, aber sehr gefährlich gewesen wäre; dass möglicherweise Anderdunkelentitäten heraufbeschworen wurden, um dies zu bewerkstelligen – und dass die Große Katastrophe eine mögliche primitive Wetterkontrollmagie unmöglich gemacht haben könnte. Aufgrund der Reststrahlung durch die Katastrophe können jedoch keine magischen Rückstände im sembischen Hochland mehr eindeutige Rückschlüsse erlauben.

 

Da keine Beschreibungen der alten Sember durch andere, uns bekannte Völker erfolgten, müssen wir darauf hoffen, dass künftige Archäologen vielleicht eines Tages auf eine verschüttete Bibliothek – oder wahrscheinlicher: eine Ritualanlage – stoßen, um die Frage eindeutig zu klären.