aus: Magische Geschichte - Magier. Ereignisse. Epochen (Ausgabe 6/76)

Das Verhängnis der Könige von Nor

„Djanot ist so alt wie die Menschheit und seit Anbeginn der Zeit herrschen die Nachfahren Aprachs über die Stadt und das Land. Die Macht der Aprachiden ist unendlich, wie die Macht der Götter: Ja, die Könige von Nor sind Götter.“

 

So und ähnlich berichtet man über die Herrscher es südlichsten und kleinsten Königreiches der Insel Tawonit. Doch die Macht der Könige von Nor, die den althergebrachten Titel Nattal - „Lebendiger Gott“ - trugen, war niemals so absolut, wie die Berichte stets verkündeten. Die Grenzen ihrer Macht bildeten siebzehn Tafeln aus grüner Jade, von denen jede ein Quadrat mit der Seitenlänge einer Elle war. Auf diesen Tafeln waren Gebote und Verbote verzeichnet, von denen die die Sendralu - die „Priester“ - erzählten, sie seien von den Göttern der Unterwelt aufgeschrieben worden und seien ein Abbild des kosmischen Gesetzes. Die Gesetze der Jadetafeln verzeichneten die Rechte und Pflichten der Menschen, der Familien und Kasten. Niemand, nicht einmal der Nattal durfte sie missachten und gerade für den Nattal wäre das wichtig gewesen: „Wenn die Dürre aber andauert über den Tag Chokkap, so muss uns der Nattal sein Herzblut in der Höhle von Kahimmon darbringen, so dass wir mit ihm die Wolken schwängern und es regnen lassen können, so sprechen die Unaussprechlichen und so schreiben sie es nieder.“

 

Derlei Vorschriften gab es mehrere, doch diese war besonders verhängnisvoll. Vermutlich entstammten die alten Gesetze einer Zeit, in der Dürren nur selten über den festgeschriebenen Tag hinaus andauerten; das sich allmählich auf die Herbststürme zu steuernde Wetter brachte lange Zeit immer Regen. Doch seit etwa 600 Vor führte eine Verschiebung des Klimas dazu, dass der Regen immer später einsetzte. Immer häufiger musste ein Nattal in der Kahimmon-Höhle den rituellen Opfertod sterben und seit etwa 520 Vor dauerte die Regierungszeit der Lebendigen Götter von Nor nur selten noch mehr als ein Jahr. Wenn die Blutlinie der Aprachiden wirklich seit der Gründung der Stadt bestand, so endete sie in den Jahren bis 500 Vor, als König um König geopfert wurde und die Würde immer mehr zur tödlichen Bürde wurde.