Die eilende Vyge

Es wird erzählt, und die Alten im Dorf mögen sich immer noch daran erinnern, dass die Vyge, dem Mostmacher Burynas seine Jüngste, einmal, als ein Zug des Heeres unseres Fürsten durch das Dorf zog, sich so arg in einen von den strammen Heerburschen verguckte, dass sie ihm unverweilt nachlaufen musste.

 

Erst als sie Tapimotea schon hinter sich gelassen hatte – das Heer war auf dem Weg, die Sevier bei Ropis-Sidra zu schlagen, weil die damals gegen unseren König aufgestanden waren – ritt sie ein Botenreiter beinahe um und fragte, als er ihr erschrocken aus dem Straßengraben aufhalft, warum sie mit so rascher Eile dem Heer nachlaufe. „Ich weiß es selbst nicht so genau, ich muss ihm halt nachlaufen“, sagte sie dem Reiter. Da beguckte der Reiter sie, denn er hatte lange Zeit dem Orden vom weißen Greifen als Bote gedient und einiges aufgeschnappt und hegte so einen Verdacht, was hier vor sich ginge. „Den Gürtel da, aus Demarast, den hat dir dein Liebchen geschenkt oder? Nimm‘ ihn ab!“

 

Da aber Vyge dachte, der Bote wolle sie hier im Straßengraben schänden und wollte ohnehin den Heerburschen nicht verlieren, so rannte sie von dem Boten fort und weiter dem Heere nach. Der Bote aber gab sein Vorhaben nicht leichtfertig auf, schwang sich auf sein Pferd und ritt der eilenden Vyge nach. Noch im Ritt ergriff er ihren Gürtel und riss ihn ab – und siehe da: Vyge blieb auf dem Fleck stehen und wunderte sich gar sehr, warum sie so weit von zu Hause auf der Straße stand.

 

Der Bote nahm sie auf seinem Pferd mit bis hin zurück zum Dorf, wo alle Leute sie schon vermisst und in der Umgegend gesucht hatten. Und wie der Krieg im Norden vorbei war, da kam der Bote zurück ins Dorf und heiratete die Vyge.

 

Weil sich aber die Gerüchte hielten, dass es der Bote selbst war, der die Vyge verzaubert und entführt hatte, um sich vor ihr als Schönheit aufzuspielen, hielt er es nicht lange aus und ging bald wieder in den Krieg – aus dem er nicht mehr zurückkehrte. Die Vyge war darüber so betrübt, dass sie sich bei den Weiden am Mühlbach das Leben nahm. In manch einer Dunkelnacht kann man ihr Schluchzen noch hören, wenn man bei den Weiden sitzt; und manchmal sieht man sie da noch stehen und meint sie wartet auf ihren Mann, dass er aus dem Krieg zu ihr zurück kommt.