Das Chomet

Die Andah Kah Tivritemura (VIII. Dynastie)
Die Andah Kah Tivritemura (VIII. Dynastie)

In der bekannten Welt der Antike galt "Demar" als "Wiege der Zivilisation" und von den echyrischen Städten im Norden über die phanechischen Städte Kaphtenus bis zu den Städen Midens erzählte man wundersames über die uralten Städte, von denen die Demarer selbst sagten, sie reihten sich "wie Perlen" entlang des großen Flusses Chena.

 

Im Lauf der Jahrhunderte wurden viele Geschichten über dieses Land berichtet und lange Zeit vermochte kaum jemand hinter dem sagenumwobenen "Demar" den historischen Kern zu erkennen.

 

Und die Bewohner dieses sagenhaften Landes, nannten es nie "Demar".

 

 

Der Gott weint : Landschaft & Ursprünge

"Am Anfang wehte der Wind über die Ödnis und die beißenden Sandwinde schnitten in das Fleisch des Gottes Gnomaris. Der Gott saß in der Ödnis und weinte. Er weinte nicht vor Schmerz, sondern vor Trauer, denn die Welt war eine Ödnis und leer. Seine Tränen sammelten sich und ergossen sich als Strom durch die Ödnis und beiderseits des Stromes wurde Land in der Ödnis."

 

So begannen die antiken Demarer ihre Schöpfungsgeschichte und in dieser kleinen Geschichte vom weinenden Gott war gleichzeitig ihr Verständnis vom Kosmos niedergelegt: Das Land - Chomet - war ihr Land, das Land der Demarer und jenseits davon war nur Taschirat - Ödnis oder genauer übersetzt: "Der todbringende Wind".

Der Fluss Chena, dessen uralter Name nichts anderes als "Leben" bedeutet, entspringt in den Uamudda, den "Ersten Bergen", und fließt durch die Stein- und Sandwüsten des nördlichen Norontea bis er schließlich ins Hadis Karasse mündet. Die von ihm durchquerten Stein- und Sandwüsten, von denen heute nur noch die östlichen Gegenden Taschirat genannt werden, waren die Ödnis der Schöpfungsgeschichte; und die wenige Kilometer beiderseits des Ufers, die erst durch die Überschwemmungen und später die Bewässerung fruchtbar wurden, waren das Chomet, das Land der Demarer. Der Fluss "Leben" prägte das Leben der Demarer und war die Lebensader ihrer Zivilisation.

Selbst wenn der Chena nicht so lebenswichtig für die Demarer gewesen wäre, seine Quelle allein ist noch heute beeindruckend genug, um die Verehrung der alten Demarer für den Fluss zu verstehen: Südlich von Epheju liegt der Gnomarud, der "Berg des Gnomaris", bei dem es sich heute um das kolossale in den Fels gehauene Abbild eines  Gottes handelt, aus dessen übergroßen Augen das Wasser des Chena als Wasserfall hervorquillt und auf dessen Rücken sich die, heute restaurierten, Ruinen des einstigen Haupttempels des Gottes Gnomaris erheben. In ältester Zeit, mag der Fels vielleicht bereits gewisse Ähnlichkeit mit einem Mann gehabt haben, doch beeindruckender als die spätere Bearbeitung des Felsen ist das Naturwunder, dass sich in seinem Inneren verbirgt. Der Gnomarud ist durchzogen von Höhlen, in denen sich das Wasser der dahinter liegenden Uamudda sammelt und die sich nur während der Zeit der Schneeschmelze beinahe vollständig füllen. Diese Höhlen bilden eine gewaltige, natürliche Zisterne, die den Chena das ganze Jahr über speist. 

 

Die Demarer entstanden, soweit die heutige Forschung das aufgrund archäologischer Funde ermitteln kann, aus Nomaden, die in vorgeschichtlicher Zeit, vermutlich durch eine Ausbreitung der Wüsten zum Chena gezogen wurden und dort sesshaft wurden. Im Vergleich zu den kargen Lebensbedingungen der Wüsten, muss diesen frühen Siedlern das Chomet als Paradies erschienen sein, in dessen grüner Landschaft es einen scheinbar unendlichen Vorrat an Frucht und Jagdwild gab.

Mit der Zeit entstanden an den Ufern des Chena erste Städte, viel früher als anderswo, aber bei weitem nicht die ältesten Städte, von denen die Archäologie heute weiß. Die ersten Städte waren Epheju und Pichadet am Oberlauf des Chena, sowie das nur etwas jüngere Tajine im mittleren Chomet. Die frühste Geschichte der Demarer spielte sich Jahrhunderte lang in der von diesen Städten umrissenen Region ab. Bis zur Zeit der Sikarer-Kriege.

Blut für die Wüste: Die Sikarer-Kriege und ihre Folgen

Die Sikarer-Kriege stehen am Anfang der demarischen Geschichte, auch wenn die Ereignisse dieser Zeiten erst im Nachhinein aufgeschrieben wurden.

"Siker" ist das demarische Wort für einen Chuliden und es waren diese leichenfressenden Diener des Altvorderen Sinth, die nach heutigem Kenntnisstand um 3900 Vor ins Chomet einfielen und die frühen Demarer in blutige Kriege stürzten. Die Propaganda späterer Herrscherdynastien berichtet, wie noch heute eindrucksvoll an manchen erhaltenen Tempelwänden zu sehen ist, von erbitterten Schlachten gegen die Sikarer, die unter größter Aufopferung und Heldenmut schließlich gewonnen wurden.  Doch die archäologischen Funde zeichnen ein anderes Bild: Die Demarer wurden besiegt und von den Sikarern versklavt; es gab wohl immer wieder Aufstände, aber im Großen und Ganzen scheint die Herrschaft der Sikarer von einer noch nicht lokalisierten Stadt namens Daschalak für viele Jahrhunderte angedauert zu haben und erst während der Zeit des Götterkrieges (2000 bis 1800 Vor) gestürzt zu sein.

Die chulidischen Festungen der Sikarer wurden nach dem Ende ihrer Herrschaft zur Keimzelle neuer Städte, auch wenn die Propaganda sie zu "Häusern der Götter" umwidmete. Doch nicht nur die städtischen Ansiedlungen bildeten das Erbe der sikarischen Herrschaft: Der Gott Rodak, grausamer Herrscher der Ödnis, und das ihm unterstellte Priesterheer, aus welchem später die Armee eines geeinten demarischen Reiches erwachsen sollte, waren die Reste des Sklavenheeres der Sikarer und hinter Rodak verbarg sich so deutlich die Erinnerung an den Altvorderen Sinth, dass es dem Propheten in kommenden Jahrhunderten leicht fiel, gegen diesen Kult vorzugehen.

Der Fall der sikarischen Herrscher brachte jedoch zunächst eine Zeit blutiger Bürgerkriege zwischen den nun freien demarischen Völkern, die sich trotz der gemeinsamen Vergangenheit als Sklaven der Sikarer und Blutopfer des Gottes in der Ödnis, noch lange nicht als ein Volk sahen. Angefacht wurden die ständig auflodernden Kriege durch die Rodak-Priester, die in ihrer Kampfessucht versuchten, die Vorherrschaft ihres Tempels vor denen der anderen Siedlungen durchzusetzen.

Auch wenn es manchem zynisch erscheinen mag: Die Zeit nach den Sikarer-Kriegen, die gemeinhin als Zeit der streitenden Tempel bezeichnet wird, war ein dunkleres Kapitel als die Herrschaft der verdorbenen Chuliden. Und am Ende dieser "dunklen Zeit" wartete der Aufgang einer neuen Sonne.

Die Sonne des Goldenen Himmels: Der Aufstieg des Reiches

Die moderne Geschichtswissenschaft setzt den Beginn der ersten Dynastie mit dem Jahr 1711 Vor fest und lässt hier die "demarische Antike" beginnen. Doch die Ereignisse des Jahres 1711, die Krönung der ersten Andah Emura'an, sind nur ein Abschluss einer wichtigen Entwicklung:

In der Zeit der streitenden Tempel waren die Rodak-Priester von Epheju irgendwann ausgelöscht oder vertrieben worden und, möglicherweise aus Respekt vor dem von allen Demarern verehrten Quellgott Gnomaris, blieb die Stadt von den Auseinandersetzungen weitestgehend verschont und wuchs infolge ihres Rufes als Zufluchtsort rasant. Während die Quellenpriester des Gnomaris an ihrer Kultstätte an den Quellen oberhalb der Stadt lebten, lag die Herrschaft der eigentlichen Stadt bald in den Händen der Mahora-Priesterinnen. Die Priesterinnen dieser uralten Muttergöttin, die als Gemahlin des Gnomaris galt, stammten ursprünglich als Pichadet, waren aber von den Rodak-Priestern vertrieben worden. Es gelang ihnen zunächst die Stadt zu regieren, vermutlich, weil sie die wachsende Stadt in "Familien" genannte Stadtteile aufteilten; archäologische Funde bestätigen das. Doch nach ein paar Jahrzehnten kam es wohl zu Streit und bald kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen diesen Familien; auch hier finden sich bestätigende archäologische Funde. Doch die folgenden Ereignisse sind nicht länger archäologisch beweisbar, sondern nur aus den mythischen Überlieferungen jener Zeit rekonstruiert: Besorgt durch das Chaos des Krieges in Epheju trat die Göttin Emura, Tochter der Mahora, aus dem Goldenen Himmel herab und stiftete Frieden. 

Die moderne Geschichtswissenschaft hat diese Darstellung mit Recht angezweifelt, doch ist die akzeptierte Meinung, eine Emura genannte Priesterin habe entweder Frieden gestiftet oder die Herrschaft in der Stadt gewaltsam an sich gerissen und später vergöttlicht worden, nur eine unbewiesene Spekulation. Erst mit der Krönungstafel, die feierlich die Ernennung der Miriatemura zur Andah Emura'an ("Priesterin der Emura") verkündet und die heute im Nationalmuseum von Taj ausgestellt ist, bewegen wir uns wieder in einem archäologisch gestützten Rahmen.

Die Andah Emura'an und ihre Nachfolgerinnen, die vermutlich im Gegensatz zu späteren Zeiten, wirklich ihre leibliche Tochter und deren Nachfahren waren, vergrößerten den Einflussbereich von Epheju aus nach Norden und drängten die Rodak-Priester bald an den Unterlauf des Chena zurück.

Auch wenn die Vereinigung des Chomet noch für viele Generationen ein Wunsch bleiben sollte, kann das Reich der Andeh Emura'an ("Priesterinnen der Emura") als erstes Großreich der Demarer und Keimzelle der späteren, das ganze Chomet umfassenden Reiche aufgefasst werden. Aus der Zeit der ersten Dynastie von Epheju haben wir im übrigen archäologische Funde, die vom Wirken einer Gelehrten in der erst kurz zuvor von Epheju eroberten Stadt Nerchen berichten und deren Name Dihurta lautete.

Die Häuser Dihurtas: Bildung und Wissenschaft

In Demar galt Bildung von Alters her als Geschenk der Götter. Es heißt die Göttin Dihurta sei am Anbeginn der Zeit aus dem Goldenen Himmel auf die Toraja hinabgestiegen und habe ihre Füße dort hingesetzt, wo später die Stadt Nerchen gegründet wurde. Sie baute sich ein Haus und lud die Menschen ein, bei ihr zu wohnen. Und jene, die ihr Angebot annahmen unterrichtete sie. Sie lehrte sie die Sprache und die Fähigkeit diese in Zeichen festzuhalten, sie lehrte sie die Mathematik und andere Künste. Doch irgendwann rief die große Sonnengöttin Emura, ihre Mutter, nach ihr und hieß sie zurück in den Goldenen Himmel zukehren. Ihrer Mutter konnte sich Dihurta nicht verweigern, daher nahm sie eine der Menschenfrauen als ihre Tochter an und vererbte ihr das Haus.

Nachdem die Göttin Dihurta in den Goldenen Himmel zurückgekehrt war, unterrichtete ihre sterbliche Tochter die Menschen weiter. Und während sie lebte, nahm sie die begabtesten Schülerinnen als ihre Töchter an. Als die Erste Tochter der Dihurta starb, folgte ihr eine ihrer Töchter nach und nach dieser eine der ihren.

Noch als die Demarer begonnen hatten Städte zu bauen schickten die Familien der Bauern und Bürger eine ihrer Töchter in das Haus der Dihurta, verstießen sie aus ihrer Familie, damit sie in Teil der Familie Dihurtas werden konnte. Mit den Generationen verließen einige von Dihurtas Töchtern die Stadt Nerchen und bauten ihrer göttlichen Vorfahrin neue Häuser in anderen Städten und nahmen dort neue Töchter an. Die begabtesten erbten die Verantwortung für das Haus ihrer Mutter, doch sie alle teilten als Erbe das Wissen.

Als die Städte wuchsen und das Wissen immer größer wurde, taten sich einzelne Häuser Dihurtas in bestimmten Wissensgebieten besonders hervor. Da wurde es auch üblich, dass die Tochter eines Hauses von einem anderen Haus adoptiert wurde, wenn ihre Mutter erkannte, dass sie ein viel besseres Verständnis für das Wissensgebiet des Schwesternhauses hatte als für ihr eigenes.

Als die Religion des Propheten die alten Götter Demars in Vergessenheit geraten ließ, blieb das Erbe der Göttin dennoch nicht vergessen. Rab Dihurta'anHaus der Dihurta – blieb als Bezeichnung für Universitäten erhalten, auch wenn kaum noch jemand sich diesen Namen erklären konnte. Als anikatatadoptieren – bezeichnete man die Immatrikulation und die Studierenden, die seit dem Mittelalter auch männlich sein konnten, hießen immer noch TassaTöchter – und Professoren und Professorinnen führten stolz der Titel einer Tas'kahgroßen Tochter.