Der weinende Riese

Aus dem persönlichen Tagebuch des Perkas Byssos Sellos (Originalausgabe in der Sellos-Bibliothek zu Meras, Föderation Kartenischer Republiken).

 

17. Lem. 1836

„Heute sind wir dem Khin weiter nach Süden gefolgt. Anstrengend. Der Fluss ist hier kaum zu befahren, selbst mit kleinen Booten. Überall ragen Felsen aus dem Fluss; die Einheimischen Dimmer sagen, der Weinende Riese habe sie in den Fluss geworfen - spannende Geschichte.

Die Alten erzählen, dass der Weinende Riese hunderte Meter hoch sei und in den Amud lebe. Als er einmal für Jahrhunderte geschlafen habe, hätten sich Menschen auf seinem Rücken angesiedelt und eine Stadt gebaut. Als der Riese wieder erwachte habe er die Stadt und die Menschen wie Flöhe von sich geworfen und alles sei im Fluss gelandet. Vermutlich aitiologische Sage um einen Vulkan.“

 

20. Lem. 1836

„Unglaublich! Haben heute die Quellen des Khin erreicht: Sensation! Der Weinende Riese der Dimmerbauern existiert! Verwitterte Überreste einer zweihundert Meter hohen Statue eines knieenden Mannes aus dessen vom Flusswasser groß ausgefressenen Augen der Khin hervorquillt!“

 

21. Lem. 1836

„Haben heute den Weinenden Riesen erklommen. Spuren großer Treppen, Löcher im Fels weisen auf Konstruktionen hin, vielleicht Lastenkräne? Haben auf dem Rücken des Riesen Ruinen einer Stadt gefunden. Das verlorene Epheju? Werden die Nacht hier verbringen und morgen im zentralen 'Tempel' ein wenig ausgraben.“

 

28. Lem. 1836

„Haben in den Ruinen des 'Tempels' Kultgegenstände und Inschriften gefunden. Demarisch. Keiner der Expeditionsteilnehmer kennt den Übersetzungszauber; Entzifferung muss warten bis wir wieder in Tajine sind.“

 

33. Lem. 1836

„Was für ein Paradies! Konnte nicht an mich halten, habe einen Geist heraufbeschworen und ihn gezwungen, mir die Inschriften vorzulesen. Preisungen des Gnomaris. Bin mir nun sicher, dass wir in den Ruinen von Epheju stehen. Die Inschriften erwähnen Kulthöhlen unter dem Tempel, werden morgen nach einem Einstieg suchen.“

 

3. Thyk. 1836

„Unfassbar. Im Inneren des Weinenden Riesen befinden sich Höhlen, ein System unterirdischer Flüsse und Seen. Die Höhlenwände zeigen, dass das Wasser bisweilen bis zur Decke reicht. Die 'Quellen' des Khin sind keine Quellen, sie müssen tiefer in den Amud liegen. Die Wasser sammeln sich hier und der Weinende Riese gibt sie preis!“

 

5. Thyk. 1836

„Habe heute früh Nachricht erhalten, dass die Regierung in Tajine unsere Visa ungültig gemacht hat; müssen Epheju verlassen und die Heimreise antreten, sonst droht uns Kerkerhaft. Dass Politik der Erforschung immer gegen's Schienbein treten muss!“

 

24. Thyk. 1836

„Befinde mich auf der Heimreise. Zeit, meine Erinnerungen zu betreten und mir die Details des Erlebten noch einmal genau anzuschauen.“

 

25. Thyk. 1836

„Der Weinende Riese erhebt sich 253,25 Meter hoch über die Landschaft. Er ist die höchste Erhebung am Rande eines schroffen Teil des Amud-Vorgebirges. Obwohl verwittert und von Felsstürzen gezeichnet, lässt sich erkennen, dass der Fels von mehreren Generationen in Form eines knienden Mannes gehauen wurde. Habe Reste von Inschriften gefunden. Die Stadt auf dem Rücken des Riesen stellte sich bei genauerer Betrachtung nicht als Stadt dar, sondern als Tempelanlage. Muss das in der Akademie von Meras mit den alten Schriften abgleichen.

Meine kondensierten Erinnerungen an die Entdeckung werden in den höheren Kreisen sicher begehrt sein; die Kosten für eine neue Expedition sollten locker drin sein.“

 

2. Dem. 1836

„Habe ein paar Tage mit Recherche verbracht. Der Weinende Riese muss der 'Gnomarud' - Gnomarisfelsen - sein, von dem die Alten berichten, er sei das Kultzentrum des Gnomaris BEI Epheju gewesen. Habe ein Exposé verfasst.“

 

4. Dem. 1836

 

„Exposé und kondensierte Erinnerungen heute exklusiv an die Königlich Kartenische Gesellschaft für Geographie und Altertum verkauft. Der Riese hat heute für mich Geld geweint.“